Im Gespräch mit: Jürgen Heyer

Er kennt die Entwicklung Dietzenbachs in den vergangenen 50 Jahren wie kaum ein anderer: Jürgen Heyer, geboren im Jahr 1935, war weit mehr als 40 Jahre politisch aktiv, davon zwölf Jahre, von 1989 bis 2001, als Bürgermeister der heutigen Kreisstadt. Der Sozialdemokrat übte verschiedene Ämter aus, Stadtverordneter, Stadtverordnetenvorsteher, Erster Beigeordneter und schließlich Verwaltungschef. Darüber hinaus engagiert er sich bis heute in mehreren Vereinen.

Herr Heyer, Sie sind in Frankfurt geboren und haben im Vogelsberg, in Dreieichenhain und in Egelsbach gelebt. Wann haben Sie Dietzenbach kennengelernt und welchen Eindruck hatten Sie von dem Ort?
Ich habe im August 1961 meine erste Lehrerstelle an der damaligen „Volksschule“, der heutigen Dietrich-Bonhoeffer-Schule angetreten. Eigentlich sollte ich nach Götzenhain kommen, aber in Dietzenbach war dringend ein Sportlehrer gesucht und das war neben Englisch mein Fach. Dietzenbach war damals noch sehr dörflich. Die Schulverwaltung lag bei der Gemeinde und ich musste mich beim Bürgermeister als oberstem Schulverwalter vorstellen. Es gab nur wenige Wohngebiete, ich erinnere mich an die lange Chaussee mit Apfelbäumen zwischen dem alten Ort und Steinberg. Dort habe ich leider mal mit meinem Lloyd einen Hasen totgefahren.

Wie kam es, dass Sie schon bald politisch aktiv geworden sind?
Meine Frau Irmgard und ich sind im Jahr 1968 von Egelsbach nach Dietzenbach gezogen. Das war das Beste, was wir je gemacht haben. Es folgte eine aufregende Zeit. Wir standen politisch unter dem Eindruck derer, die man heute die „68er“ nennt, und erlebten unter anderem die Trennung von Amt und Mandat; die Mitarbeiter der Verwaltung durften nun nicht mehr Mitglied des Gemeindeparlamentes sein. Es war ein Aufbruch. Gemeinsam mit weiteren initiativen jungen Leuten habe ich für die SPD kandidiert und bin sofort ins Gemeindeparlament gewählt worden.

Es war eine Zeit, die in Dietzenbach die Grundlage für das spätere Wachstum und die heutige Entwicklung gelegt hat. Was schien damals für die Zukunft wichtig?
Ganz klar: Wir wollten städtische Strukturen entwickeln und mehr Lebensqualität für die Bewohner schaffen. Bürgermeister Hermann Kocks strebte eine Einwohnerzahl von 60.000 Menschen an. Er hat den Siedlungsschwerpunkt Dietzenbach kreiert und vieles in die Wege geleitet. Es gab einen Sanierungsplan für die Altstadt und eine Vorstellung von einer neuen baulichen Gestaltung. Letztere zu planen, war das Schwierigste. Es gab unglaubliche Diskussionen, so wie ich es später nie mehr erlebt habe. Ein deutliches Veto eingelegt hat schließlich der damalige Aktionskreis „Rettet das Dorf in der Stadt“. Heute können wir nur dankbar sein, dass es uns gemeinsam gelungen ist, mit der Altstadt ein Stück Historie zu bewahren.

Was war der größte Schritt in der Entwicklung vom Dorf zur Stadt?
Es ging um die Urbanisierung des endlich erwachten Dorfes. Das haben wir angepackt. Es war wichtig, von dem Wunsch nach 60 000 Einwohnern abzurücken, realistische Gewerbeflächen zu markieren und die Wirtschaft anzukurbeln. Die heutigen Ansiedlungen beweisen, dass es richtige Schritte waren, sie sind noch immer Basis des Geschehens. Auch wenn es später eine vielfach kritisierte Maßnahme war, so war doch die Einleitung zum Entwicklungsbereich nach dem Städtebauförderungsgesetz im Jahr 1973 der wichtigste Schritt in der Entfaltung Dietzenbachs. Das, was Bürgermeister Jürgen Rogg kürzlich beenden konnte, hat Dietzenbach den Aufschwung ermöglicht, von da an hat sich die Entwicklung stetig fortgesetzt.

Welche Maßnahmen waren prägend und prägen Ihrer Meinung nach immer noch die Kreisstadt?
Neben dem Ausbau der Infrastruktur war es wichtig, das Zusammenleben zu stärken und Kultur zu entwickeln. Dazu gehörte unabdingbar eine gemeinsame Kulturstätte, dafür sind wir nach Wiesbaden gefahren und haben dort um Zuschüsse für das Bürgerhaus, das heutige Capitol Dietzenbach, gebeten. Wir haben das Museum für Heimatkunde und Geschichte ermöglicht und die Stadtbücherei. Manches ist auch auf uns zugekommen, so wie die Waldorfschule und das Kreishaus. Wir haben Sportplätze und eine Sporthalle geschaffen, die S-Bahn vorangetrieben. Schauen Sie sich um, vieles von dem, was Dietzenbach heute lebens- und liebenswert macht, ist in diesen Jahren entstanden. Und noch immer gibt es einen erlebten Höhepunkt, der die Dietzenbacher eint: der Hessentag im Jahr 2001.

Wo lagen die Schwierigkeiten?
Es war nicht immer einfach, auch durch die vielfältige Zusammensetzung der Einwohner. Ein Markenzeichen war stets die Förderung der Gemeinschaft. Das hat alle verbunden. So ist es relativ ruhig und unproblematisch vonstatten gegangen.

Wie geht es Ihnen heute in der Kreisstadt Dietzenbach?
Ich habe im Laufe der Jahre eine Faszination und eine Liebe zu dem Ort entwickelt, die mich nie losgelassen hat. Ich bin glücklich, dass ich ein kleines Stück Wegbegleiter in der Entwicklung Dietzenbachs sein durfte. Auch 18 Jahre nach meiner Pensionierung engagiere ich mich vielseitig und ich bin glücklich, viel erlebt zu haben, und dankbar für die Menschen, die mir Wegbegleiter, Freund und Unterstützer waren und sind.

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