Vor dem Rathaus summt und brummt es, im Hessentagspark flattern bunte Schmetterlinge und auf dem Geschichtspfad finden sich Kräuter, wie sie nur noch selten vorkommen: Dietzenbach ist „wild“ und hilft damit der Natur zu überleben.
Seit mehreren Jahren folgen die städtischen Gärtner einem Konzept, das naturbelassene Wiesen und eingesäte Blühflächen im urbanen Raum vorsieht. Michael Würz, Technischer Betriebsleiter der Städtischen Betriebe, ist davon überzeugt, dass eine solche Art von Grün in der Stadt die Zukunft ist. „Dabei geht es nicht nur ums Geld“, stellt er fest. Auch aktuelle Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen zur Stadtgärtnerei deuten in diese Richtung. Womit die Zeiten der streng geordneten Anpflanzungen zumindest im öffentlichen Raum vorbei sind. „Wir werden uns an das andere Aussehen des Stadtgrüns gewöhnen und die schönen Wildblumen irgendwann nicht mehr missen wollen“, sagt Würz.

Der Pflanzenwechsel in der Stadt bedeutet auch, die Insektenwelt und damit die Welt für den Menschen zu erhalten. Bestäubende Tierchen wie Bienen, Hummeln und Schmetterlinge sind überlebenswichtig. Mehr als 80 Prozent der Pflanzen benötigen Fremdbestäubung, damit der Kreislauf von der Natur zur menschlichen Nahrung erhalten bleibt. Das funktioniert nicht mit nagelscheren-geschnittenem Rasen und einer schön gezüchteten, aber pollenlosen Zierpflanze, die keine Nahrung bietet.
So finden sich an mittlerweile vielen Stellen im Stadtgebiet Fünf-Sterne-Hotels für Bienen und ihre Kollegen. Wo zuvor eher trostlose Wiesenflächen waren, blühen jetzt Schafgarbe, Kleinköpfiger Pippau, Margeriten und wilde Mininelken und ziehen Schmetterlinge, Hummeln und Wildbienen an. Eine wahre Wildkräuteroase ist gar der Geschichtspfad mit naturbelassenem Thymian, Salbei, Oregano und Estragon.

Breitblättriges Knabenkraut: die Orchidee des Jahres
Sie blüht im Verborgenen und kommt bescheiden daher, ist aber in Wirklichkeit ein wahrer Kracher und nun sogar „Orchidee des Jahres“: Die wilde Orchidee mit dem Namen „Dactylorhiza majalis“, besser bekannt als „Breitblättriges Knabenkraut“ oder „Breitblättriger Fingerwurz“, gilt als Rarität und ist bundesweit nur noch gelegentlich anzutreffen. In Dietzenbach aber bereichert sie die ein oder andere abgelegene Wiese mit ihrer Pracht. Im Übergang vom Frühjahr zum Sommer präsentiert die Wiesen-Orchidee die ganze Schönheit ihrer violetten Blüten. Bis zu 40 Zentimeter hoch wird die Pflanze, die sich gerne im dichten Gras versteckt. Auch wenn es noch so verführerisch ist, gepflückt werden sollte das Knabenkraut auf keinen Fall. Gehört das Gewächs doch schon seit vielen Jahren laut Bundesamt für Naturschutz zu den „Arten in besonderer Verantwortung“. Darunter fallen Pflanzen, für die Deutschland eine ausdrückliche Pflicht übernimmt, weil sie nur hier vorkommen oder weltweit gefährdet sind. Wichtig ist dabei der Standort. Das Breitblättrige Knabenkraut bevorzugt magere und feuchte Flächen, je magerer der Boden, um so blütenreicher wird es. Das heißt, dass das Land auf keinen Fall gedüngt werden sollte. Und auch erst spät im Jahr zur Mahd bereit steht. Denn soll die empfindliche und geschützte Orchidee im nächsten Jahr wiederkommen und sich vermehren, muss sie Gelegenheit haben, sich auszusamen, entsprechend kann die Wiese erst im Herbst gemäht werden. Auch zwischen den Orchideen blüht es dann munter weiter, denn sogenannte Pflanzengesellschaften bilden die Basis für gemeinsames Gedeihen. Wer genau hinschaut erlebt eine wahre Konkurrenz zum perfekt gepflegten englischen Garten: Herbstzeitlose, Wiesenschaumkraut, Sumpfdotterblume, Sumpfvergissmeinnicht, wilder Iris und großer Wiesenknopf.
www.dietzenbach.de/stadtgrün
Dort gibt es auch die Broschüre „Grün in der Stadt“
Fotos: ©FMuehleck